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Wann ist ein Ehevertrag anfechtbar?

In der Praxis geht es weniger um die tatsächliche Anfechtung von Eheverträgen, sondern darum, dass sie sich als sittenwidrig und damit unwirksam erweisen. Es gibt zwei Wege, dies festzustellen. Der häufigere ist, dass das Gericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens den Ehevertrag prüft. Es ist aber auch möglich, unabhängig von einem Scheidungsverfahren eine Klage einzureichen und den Vertrag für unwirksam erklären lassen. Ehevertragliche Regelungen sind insbesondere dann ist unangemessen, wenn ein Ehepartner auf an sich unverzichtbare Rechte verzichtet und bei Vertragsabschluss nicht die wirtschaftliche Freiheit oder das intellektuelle Potential hatte, interessengerechte Regelungen zu verhandeln.

Kurzfassung

  • Eheverträge sind rechtsverbindliche Vereinbarungen. Darin können Sie Ihre Rechte und Pflichten als Ehepartner in der Ehe, aber auch für den Fall einer eventuellen Scheidung zu regeln. Eheverträge unterliegen keinem Widerrufsrecht.
  • Sie können Ihren Ehevertrag in der bestehenden Ehe unabhängig von einer Scheidung für unwirksam erklären lassen. Dazu müssten Sie beim Familiengericht eine Klage einreichen und feststellen lassen, dass der Ehevertrag teilweise oder insgesamt sittenwidrig ist.
  • Beantragen Sie aber ohnehin die Scheidung, überprüft das Familiengericht auch ohne die Anfechtung im Rahmen einer Inhalts- und Ausübungskontrolle, ob der Ehevertrag angemessene Regelungen beinhaltet oder einen Ehepartner unangemessen benachteiligt.

Kann man einen Ehevertrag rückgängig machen?

Ein Ehevertrag ist ein Vertrag wie jeder andere auch. Beide Ehepartner haben sich verpflichtet, sich daran zu halten, was im Ehevertrag vereinbart ist. Sie können einen einmal abgeschlossenen Ehevertrag also nicht einfach widerrufen. Sie haben kein Widerrufsrecht und können sich ein solches Widerrufsrecht auch nicht ehevertraglich vorbehalten.

Ihr Ehevertrag unterliegt auch nicht der Verjährung. Vielmehr hat der Vertrag so lange Bestand, bis Sie die Vereinbarung erfolgreich angefochten oder das Familiengericht im Hinblick auf Ihre Scheidung den Vertrag für unwirksam erklärt hat.

Möchten Sie Ihren Ehevertrag rückgängig machen, sind Sie auf die Zustimmung Ihres Ehepartners angewiesen. Im gegenseitigen Einvernehmen können Sie den Ehevertrag inhaltlich so ändern, dass beide Ehepartner zufrieden sind.

Stimmt der Ehepartner Ihren Änderungswünschen nicht zu, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Ehevertrag für unwirksam erklären zu lassen.

Die Anfechtung eines Ehevertrages – wann ist sie überhaupt sinnvoll?

Eheverträge sind nicht in Stein gemeißelt. Glauben Sie in Ihrer bestehenden Ehe, dass Sie im Hinblick auf eine bestimmte Regelung im Ehevertrag unangemessen benachteiligt werden, könnten Sie den Ehevertrag möglicherweise „anfechten“.

Wobei Anfechtung nicht der ganz passende Begriff ist, denn eine Anfechtung im juristischen Sinne kommt in der Praxis so gut wie nie vor. Eine Anfechtung kommt zum Beispiel in Betracht, wenn ein Ehepartner den anderen unter Androhung von Gewalt oder unter Vortäuschung falscher Tatsachen veranlasst hat, einen Ehevertrag zu unterzeichnen. Auch, wenn ein Ehepartner bei Unterzeichnung des Vertrags einem Irrtum unterlegen ist, kann eine Anfechtung möglich sein.

In der Praxis geht es aber meist darum, festzustellen, dass der Ehevertrag sittenwidrig und damit unwirksam ist. Dazu müssten Sie beim Familiengericht eine Klage einreichen und feststellen lassen, dass der Ehevertrag teilweise oder insgesamt unwirksam ist.

Beispiel: Sie haben ehevertraglich für den Fall Ihrer Trennung auf Trennungsunterhalt und den Unterhalt für Ihr gemeinsames Kind verzichtet. Da derartige Regelungen gegen gesetzliche Verbote verstoßen, ist der Ehevertrag unwirksam. Das Familiengericht würde derartige Regelungen nicht akzeptieren.

Aber: Die Option, unabhängig von einer Scheidung einen Ehevertrag für unwirksam erklären zu lassen, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Meist wird in einer solchen Situation die Ehe bereits zerrüttet sein und die Scheidung ohnehin bevorstehen. Ansonsten könnte die gerichtliche Anfechtung des Ehevertrages der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und Ihre Scheidung provoziert. Kommt es dann zur Scheidung, überprüft das Familiengericht sowieso, ob der Ehevertrag angemessene Regelungen beinhaltet. Sie brauchen in diesem Fall den Ehevertrag nicht unbedingt anzufechten. Vielmehr lassen Sie den Ehevertrag aus Anlass Ihrer Scheidung gerichtlich prüfen.

Wonach beurteilt sich, ob ein Ehevertrag sittenwidrig ist?

Sie können in eigener Verantwortung per Ehevertrag (also auch in einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung) entscheiden, wie Sie Ihre eheliche Lebensgemeinschaft organisieren und wie Sie Ihre Rechte und Pflichten für den Fall einer Trennung und Scheidung regeln. Allerdings darf diese Vertragsfreiheit nicht dazu führen, den Schutzzweck gesetzlicher Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig zu unterlaufen. Vereinbarungen, die direkt gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind daher unwirksam (§ 134 BGB). Doch auch Eheverträge, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind unwirksam (§ 138 BGB). Die Voraussetzungen dafür sind, dass:

  • Die Regelungen zu einer evident einseitigen Lastenverteilung innerhalb der Ehe führen,
  • diese Lastenverteilung durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigt ist und
  • es dem dadurch belasteten Ehepartner bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe nicht zuzumuten ist, eine derartige Vereinbarung akzeptieren zu müssen.

Auf diesem Hintergrund unterwerfen die Gerichte Eheverträge und damit auch Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen einer sogenannten Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle.

  • Bei der Inhaltskontrolle prüft das Gericht, ob sich bei einer Gesamtschau aller Umstände bei Abschluss des Ehevertrages dessen Sittenwidrigkeit begründen lässt. Maßgeblich kommt es darauf an, ob die Lasten der Ehe einem Ehepartner einseitig aufgebürdet werden. Dies kann der Fall sein, wenn der Ehepartner, der den Haushalt führt und die Kinder betreut, auf Trennungsunterhalt oder Ehegattenunterhalt verzichtet, ohne dafür eine angemessene Entschädigung zu erhalten.
  • Übersteht die Prüfung die Inhaltskontrolle, prüft das Gericht im Rahmen der Ausübungskontrolle, ob ein Ehepartner sein Recht missbraucht, wenn er/sie sich auf die Vereinbarung beruft. Dies kann der Fall sein, wenn die tatsächliche Lebensgestaltung von den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Verhältnissen abweicht. In Betracht kommt, dass ein Ehepartner aufgrund eigener Berufstätigkeit auf Ansprüche auf Unterhalt wegen Kindesbetreuung verzichtet und dann entgegen allen Planungen doch noch ein Kind geboren wird.

Praxisbeispiel:

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss zum Anlass 6. März 2021, Az. 5 UF 125/20) verdeutlicht, wie Gerichte die vom Gesetz vorgegebene Inhalts- und Ausübungskontrolle eines Ehevertrages wahrnehmen. Es ging um einen deutschen Staatsangehörigen, der mit einer aus Weißrussland zugezogenen Ehefrau einen Ehevertrag abgeschlossen hatte. Darin wurde Gütertrennung vereinbart, der Versorgungsausgleich wurde weitgehend ausgeschlossen und für den Fall, dass die Ehe innerhalb von drei Jahren geschieden werde, wurde ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht vereinbart.

Das Gericht beurteilte den Ehevertrag so, dass die inhaltlichen Regelungen bei isolierter Betrachtungsweise akzeptabel sind, im Rahmen einer Gesamtwürdigung sich der Vertrag aber als sittenwidrig erweise. Grund sei maßgeblich, dass der Vertrag auf die einseitig benachteiligte Ehefrau abzielte.

Die Ehefrau werde durch den Ausschluss des nachehelichen Unterhalts benachteiligt, da durch die pauschale Regelung auch der Betreuungsunterhalt vollständig ausgeschlossen werde. Auch sei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für die Ehefrau nicht absehbar gewesen, dass sie als in Deutschland zugezogene Ausländerin eigenes Geld verdienen könne.

Die Gesamtschau aller Regelungen ergab also eine unangemessene Benachteiligung. Wegen der Umstände des Vertragsabschlusses, also der Zwangslage, der sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit und der intellektuellen Unterlegenheit der Frau sah das Gericht auch eine subjektive Benachteiligung. Der Vertrag war unwirksam. Aufgrund des nahezu vollständigen Ausschlusses aller scheidungsbedingten Rechte waren zudem die verwerfliche Gesinnung des Ehepartners und dessen subjektiv einseitig benachteiligende Absicht gegenüber dem anderen erkennbar.

Beispiele: Wann ist ein Ehevertrag sittenwidrig?

Was„sittenwidrig“ bedeutet, haben die Gerichte in einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen konkretisiert:

  • Sie verzichten ehevertraglich auf den Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie auf nachehelichen Unterhalt. Grund ist, dass Ihr Ehepartner ankündigt, ansonsten das alleinige Sorgerecht für Ihr gemeinsames Kind zu beantragen. Sind Sie nicht selbst berufstätig, sind Sie wahrscheinlich bei einer Scheidung in vorhersehbarer Weise auf Sozialhilfe angewiesen. Da es nicht angehen kann, dass die Allgemeinheit anstelle Ihres Ex-Ehepartners Ihren Lebensunterhalt bezahlen muss, verstößt eine derartige Regelung gegen die guten Sitten und ist unwirksam.
  • Sie verzichten vor vornherein für den Fall einer Scheidung auf den Betreuungsunterhalt für die Betreuung eines Kindes. Diesen Anspruch können Sie bereits im Interesse Ihres Kindes nicht pauschal ausschließen. Eine entsprechende Regelung wäre unwirksam.
  • Gegen die guten Sitten verstoßen Vereinbarungen, die das elterliche Sorge- und Umgangsrecht in unzulässiger Weise kommerzialisieren. Erklären Sie, auf Ihr Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind zu verzichten, wenn Sie als Gegenleistung von der Verpflichtung zum Kindesunterhalt freigestellt werden, handeln Sie in anstößiger und damit in sittenwidriger Weise - mit der Folge, dass eine derartige Vereinbarung unwirksam wäre.
  • Den Versorgungsausgleich können Sie zwar weitgehend ausschließen. Ein vollständiger Ausschluss ist aber dann kritisch, wenn dafür kein adäquater Ausgleich vorgesehen ist und Sie insoweit darauf verzichten, im Alter Versorgungsansprüche zu erwerben.
  • Ehevertraglich auf alle für den Fall einer Trennung und Scheidung im Gesetz vorgesehenen Rechte zu verzichten wollen, ist ebenfalls kaum möglich. Da Sie einen Ehevertrag im Regelfall notariell beurkunden, wird kein Notar einen derartigen Totalverzicht akzeptieren wollen. Auch würde Sie Ihr Anwalt darauf hinweisen, dass ein derartiger Totalverzicht nicht in Betracht kommt. Geht Ihr Interesse jedoch in diese Richtung, kommt es darauf an, den Ehevertrag so zu formulieren, dass Sie für den Fall einer Trennung und Scheidung trotzdem nicht unangemessen benachteiligt werden und nicht auf die Unterstützung öffentlicher Kassen angewiesen sind.

Gut zu wissen:

Selbst wenn einzelne Regelungen im Ehevertrag für sich betrachtet durchaus zulässig sind, kann der Vertrag dennoch insgesamt unwirksam sein. Aus der Gesamtschau kann sich die Unwirksamkeit begründen, wenn der Vertrag darauf abzielt, den Partner einseitig zu benachteiligen oder der Partner aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit oder Unerfahrenheit nicht in der Position war, auf Augenhöhe zu verhandeln.

Was können Sie tun, wenn Sie Ihren Ehevertrag anfechten wollen?

Haben Sie die begründete Erwartung, dass sich Ihr Ehepartner Ihren Änderungswünschen anschließen könnte, können Sie natürlich versuchen, im gegenseitigen Einvernehmen eine neue Regelung zu vereinbaren. Da ehevertragliche Regelungen komplex sind und schnell sittenwidrige Inhalte beinhalten können, sollten Sie sich unbedingt anwaltlich beraten lassen. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin werden im Hinblick auf Ihre familiären, beruflichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten prüfen, ob Ihr Ehevertrag unangemessene Regelungen enthält. Sollte dies der Fall sein, kann Ihr Anwalt mit Ihrem Ehepartner in Kontakt treten und auf den Abschluss einer neuen Vereinbarung hinwirken.

Zeigt sich Ihr Ehepartner nicht einsichtig und möchten Sie Ihren Ehevertrag anfechten oder im Hinblick auf Ihre Scheidung prüfen lassen, sollten Sie sich erst recht frühzeitig informieren und anwaltlich beraten lassen. Wichtig ist, dass Sie dabei von vornherein die richtige Strategie verfolgen. Dazu müssen Sie wissen, ob und inwieweit eine ehevertragliche Regelung beanstandungsfähig ist. Im Hinblick auf die komplexe Rechtslage und die damit verbundene Rechtsprechung werden Sie nur mit anwaltlicher Begleitung zu vertretbaren Ergebnissen kommen.

Was sind die Kosten, wenn Sie Ihren Ehevertrag anfechten oder überprüfen lassen?

Anwälte berechnen für ihre Dienstleistungen Gebühren. Diese Gebühren orientieren sich am Gegenstandswert dessen, was der Anwalt oder die Anwältin für Sie leistet. Als Gebühr rechnen Rechenanwälte meist eine sogenannte Geschäftsgebühr ab. Diese Geschäftsgebühr deckt die Beratung, Verhandlungen mit dem Ehepartner, den Schriftverkehr und den Entwurf von Schriftstücken ab. Nach Maßgabe des Geschäftswertes (Verfahrenswert, wenn es zur gerichtlichen Auseinandersetzung kommt) berechnen Anwälte dann die Geschäftsgebühr.

Sprechen Sie Ihren Anwalt darauf an und lassen Sie sich im Rahmen eines Kostenvoranschlages informieren, mit welchen Kosten Sie rechnen müssen. Insoweit kommt es immer darauf an, was genau Aufgabe des Anwalts ist und mit welchem Ziel Sie den Anwalt in Anspruch nehmen.

Ausklang

Denken Sie darüber nach, Ihren Ehevertrag anzufechten, haben Sie sicherlich gute Gründe. Bevor Sie jedoch Ihre bestehende Ehe belasten, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen. Steht die Scheidung bereits ins Haus, wird Ihr Anwalt ohnehin prüfen, ob Ihre gesetzlich vorgesehenen Rechte mit den ehevertraglichen Regelungen in Einklang zu bringen sind oder ob Anlass besteht, den Ehevertrag durch das Familiengericht überprüfen zu lassen.

Autor:  iurFRIEND-Redaktion

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