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Das Leben mit einem Partner, der an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet ist nicht einfach. (© Bernd Leitner - Fotolia_com)

Leere, Wut und Angst – Borderline in der Partnerschaft

 
 

„Wenn ich in eine Situation komme, die mir unangenehm ist, werte ich mich sofort ab. Ich fühle mich dann wie ein Nichts und weil mein Partner mich zu mögen scheint, muss er ja auch ein Nichts sein. Deswegen werde ich so unglaublich wütend und explodiere dann.“ So ein Satz kommt von einem Menschen, der an einem „Borderline Syndrom“ leidet, einer Persönlichkeitsstörung, die sich in Impulsivität und Instabilität des Selbstbildes, der Stimmung und der zwischenmenschlichen Beziehungen äußert – und vor allem in klassischem Schwarz-Weiß-Denken.

Auf der einen Seite sehnt sich der an Borderline (BPS) Erkrankte sehr stark nach Geborgenheit, auf der anderen Seite kann er genau diese Nähe nicht zulassen. Diese Unsicherheit und Verlegenheit kann er sich aber selbst nicht eingestehen und verlässt dann lieber die Situation oder lässt sie eskalieren, um dem Gegenüber Zündstoff zu geben und sich selbst gleichzeitig die Berechtigung, die Schuld auf eben jenen abzuwälzen. Als potentielle Partner sind Menschen mit BPS also unberechenbar – eine Beziehung ist aber trotzdem nicht unmöglich.

Borderline Persönlichkeitsstörung

Die Krankheit, die sich an der Grenze (border) von Psychose und Neurose befindet, kann unterschiedliche Ursachen haben: Neben einer genetisch bedingten Überempfindlichkeit der Hirnregion, die für die emotionale Bewertung von Situationen benötigt wird, zählen auch soziale Traumata zu den Auslösern der Krankheit, so Experten. Trennung der Eltern, eine kühle und strenge Erziehung, Verlust wichtiger Bezugspersonen im Kindesalter oder gar Misshandlungen finden bei impulsiven Temperamenten den geeigneten Nährboden, um sich zu einer Borderline Krankheit auszuweiten.

In Deutschland leben schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen mit BPS, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene seien betroffen. Psychologen und Neurologen  vermuten, dass diese Zahl in naher Zukunft noch steigen wird, da immer mehr Familien die benötigte emotionale Sicherheit und Zuneigung nicht vermitteln können.

Eine Schwarz-Weiß-Beziehung

Das paradoxe Verhalten des Erkrankten macht es für den (potenziellen) Partner nicht einfach. In der Anfangsphase einer Beziehung überschüttet der Borderline-Patient sein Gegenüber mit viel Aufmerksamkeit und Liebe. Der Partner wird regelrecht glorifiziert und das „Weißdenken“ lässt auch ihn glauben, eine perfekte Partnerschaft einzugehen – bis die ersten Unstimmigkeiten oder gar Streitereien kommen. Dann wird der einst so geliebte Partner von jetzt auf gleich zum Feindbild degradiert.

Der BPS-Erkrankte braucht den Partner als Projektionsfläche, als Schauspieler, als Spiegelbild der eigenen Gefühlswelt. Er muss identisch sein. Zunächst bemüht sich der Borderline-Patient selbst den Schauspielpart zu übernehmen. Wenn aber Stimmungen und Ansichten zu oft voneinander abweichen, kann der BPS-Patient damit nicht umgehen. Er provoziert den Partner, um auch ihn auf die negative Stimmungsebene zu ziehen. Das „Schwarzdenken“ bricht ein und lässt den ahnungslosen Partner oft verzweifelt zurück.

An dem Punkt wäre für viele Menschen eine Trennung der nächste logische Schritt, für den an Borderline Erkrankten bedeutet das jedoch Todesangst. Denn ohne den Spiegel hat er kein Ich, er fühlt sich wie vernichtet und versucht nicht selten, sich durch Selbstverletzung wieder zu spüren.

Ein Alltag mit Manipulation

Die Angst vor dem Alleinsein und vor der Trennung an sich setzt diese Menschen so unter inneren Druck, dass sie unberechenbar werden und ihre Stimmung urplötzlich kippt. Diese Anspannung, die sich regelrecht in Borderline-Attacken entlädt, rühren aber von der Krankheit her und nicht von Unstimmigkeiten in der Beziehung an sich. Das zu begreifen und zu verinnerlichen ist für den Partner natürlich sehr schwierig.

Um die Beziehung aufrecht zu erhalten, benutzt der Erkrankte oftmals Lügen und Manipulation. Auch Erpressung und angedrohter Suizid werden als Mittel eingesetzt, den Partner zu binden und ihn zu zwingen, seine Liebe dem Borderline-Patienten gegenüber zu beweisen. Selbst leichteste Kritik wird meist sofort als Verlust der Liebe interpretiert und bedeutet für den BPS-Patienten einen inneren Zusammenbruch.

Zusammensein – aber wie?

Wer sich auf eine solche Beziehung einlässt, muss für sich selbst in folgenden Punkten Klarheit schaffen: Bin ich selbst emotional stabil genug, um diese häufigen und plötzlichen Stimmungsschwankungen zu ertragen? Kann ich die Drohungen und Wutanfälle ruhig und gelassen wegstecken und sie nur mit der Krankheit und nicht mit mir in Verbindung setzen? Ist mir klar, dass ich dem Partner nicht helfen kann? In jedem Fall helfen Beratungsstellen Angehörigen und Partnern, sich selbst ein Bild von der eigenen Lage und der des Erkrankten zu machen.

So wird den Partnern von Menschen mit Borderline Syndrom meist geraten, die Verzweiflung des Erkrankten nicht zu der eigenen zu machen und sich klarzumachen, dass man für das Handeln des anderen keine Verantwortung trägt. Doch das ist natürlich leichter gesagt als getan.

Ein guter Wille allein zählt nicht viel. Eine solche Beziehung ist harte Arbeit. Auch der BPS-Erkrankte kann etwas tun. Inzwischen gibt es erfolgreiche Therapiemethoden, die zwar nicht die Störung heilen, aber wenigstens die Verhaltensmuster ändern können. So wird nach Alternativen – beispielsweise zur Selbstverletzung – für den Patienten gesucht, die ihm ohne selbstzerstörerischen Charakter das Gefühl geben, am Leben zu sein.