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Ist meine Ehe anfechtbar, wenn ich eine frühere Ehe verschwiegen habe?

 
 

Sind Sie verheiratet, wird Ihre Ehe aufgelöst, wenn Ihre Ehepartnerin bzw. Ihr Ehepartner verstirbt, Sie sich scheiden lassen oder Sie Ihre Eheschließung erfolgreich anfechten. Unter anderem kommt eine Anfechtung in Betracht, wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin eine frühere Ehe verschwiegen hat und Sie die Eheschließung in Kenntnis dieser Tatsache nicht vollzogen hätten. Bevor Sie jetzt gleich zur Tat schreiten, sollten Sie wissen, unter welchen Voraussetzungen Sie Ihre Ehe anfechten können. Wie so oft, kommt es auf eine Reihe von Details an.

Steht die Anfechtung wegen einer früheren Ehe im Gesetz?

Das Eherecht kennt zehn Gründe, aus denen die Aufhebung einer Ehe in Betracht kommt. Der Umstand, dass der Partner oder die Partnerin eine frühere Ehe verschwiegen hat, ist nicht ausdrücklich im Gesetz als Anfechtungsgrund benannt. Allerdings kann die Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehepartner zur Eheschließung durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn oder sie bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eheschließung abgehalten hätten. So steht es in § 1314 Abs. II Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Hätten Sie die Eheschließung trotzdem vollzogen?

Die Gretchenfrage lautet also, ob Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin auch dann geheiratet hätten, wenn Sie gewusst hätten, dass der Partner bereits früher einmal verheiratet gewesen war? Die Frage lässt sich nicht mit einem schlichten und unmissverständlichen Ja oder Nein beantworten. Um ein Ergebnis überzeugend zu rechtfertigen, ist die Antwort mehrstufig aufzubauen.

Eine frühere Eheschließung ist offenbarungspflichtig

Die Rechtsprechung nimmt jedenfalls eine Offenbarungspflicht an, wenn es sich um Umstände handelt, die das Wesen der Ehe prägen. Jeder Partner ist verpflichtet, dem anderen alle Umstände zu offenbaren, die für dessen Entschluss, ihn oder sie zu heiraten, wesentlich sind. Voraussetzung ist also, dass Täuschung einerseits und Irrtum andererseits Umstände betreffen, die mit dem Sinn der ehelichen Lebensgemeinschaft im direkten Zusammenhang stehen.

Augenscheinlich ist dies der Fall, wenn ein Partner unfähig zum Geschlechtsverkehr ist (BGH FamRZ 1958, 314), eine Sterilisation verschweigt (OLG Stuttgart NJW 2004, 2247) an einer unheilbaren oder ansteckenden Krankheit leidet (z.B. Aids, BGH LM EheG 33 Nr. 2). Diesen Umständen steht im Regelfall auch die Tatsache gleich, dass der Partner oder die Partnerin bereits vor der Eheschließung bereits verheiratet war (so jedenfalls OLG Celle, FamRZ 1965, 213; AG Warendorf FamRZ 2006, 1377). Auch das Vorhandensein vorehelicher minderjähriger Kinder (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 564) oder ein während der früheren Ehe außerehelich gezeugtes Kind (OLG Nürnberg FamRZ 1966, 104) sind Gründe, die Aufhebung der Ehe zu rechtfertigen.

Die „Tathandlung“ kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen. Ihr Partner oder Ihre Partnerin kann also auf Ihre Frage hin erklärt haben, dass er oder sie nicht bereits einmal verheiratet war. Dem Tun ist das Unterlassen gleichgestellt, wenn der Partner es unterlassen hat, Sie über eine frühere Ehe zu informieren.

Wichtig zu wissen: Soweit sich die Täuschungshandlung auf die Vermögensverhältnisse des Partners bezieht, kommt eine Anfechtung nicht in Betracht. Das Gesetz schließt die Täuschung über die Vermögenswerte ausdrücklich als Anfechtungsgrund aus. Dies ist wichtig, weil damit der Fall des Heiratsschwindlers gerade nicht erfasst wird. Gleiches gilt, wenn der Partner eine Privatinsolvenz verschweigt oder angebliches Vermögen vortäuscht. Grund ist, dass die Vermögensverhältnisse nichts mit dem Wesen der Ehe zu tun haben und nicht der Grund sein sollten, weshalb ein Partner zur Eheschließung bereit ist.

War die Täuschungshandlung ursächlich für Ihre Eheschließung?

Doch Vorsicht: Es genügt für sich allein noch nicht, dass eine frühere Eheschließung offenbarungspflichtig ist. Die Täuschungshandlung Ihres Partners muss auch ursächlich gewesen sein und zwar in dem Sinne, dass Sie durch die arglistige Täuschung zur Eheschließung bestimmt wurden und bei Kenntnis der früheren Ehe und richtiger und verständiger Würdigung des Wesens der Ehe die Eheschließung nicht vollzogen hätten (OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 1289: in Bezug auf Religionszugehörigkeit).

Dazu ist zunächst von einem objektiven Maßstab auszugehen. Im Regelfall wird es richtig erscheinen, dass Sie die Ehe nicht geschlossen hätten, hätten Sie gewusst, dass der Partner oder die Partnerin bereits früher einmal verheiratet gewesen war. Hinzu kommt noch ein subjektiver Maßstab, der sich danach beurteilt, ob auch Sie bei Kenntnis der Täuschung die Ehe geschlossen oder von der Eheschließung Abstand genommen hätten. Es kommt also darauf an, wie Sie im Zeitpunkt der Eheschließung ohne die Täuschung gehandelt hätten. Steht fest, dass Sie den Partner oder die Partnerin unter allen Umständen geheiratet hätten, fehlt es an einem entsprechenden Irrtum (LG Rostock FamRZ 2003, 598).

Sie stehen in der Beweispflicht

Möchten Sie die Aufhebung Ihrer Ehe beantragen, müssen Sie das Gericht überzeugen, dass Sie den Partner oder die Partnerin nicht geheiratet hätten, wenn Sie Kenntnis von dessen früheren Eheschließung gehabt hätten. Waren Sie jedoch „blind vor Liebe“ und hätten so oder so geheiratet, haben Sie schlechte Karten. Sie müssen also genau überlegen, was Sie vortragen und wie Sie Ihren Sachvortrag begründen. Allein Ihre Unzufriedenheit oder Ihre Enttäuschung, dass Sie zur Eheschließung verleitet wurden, genügt jedenfalls nicht.

Natürlich kommt es auch darauf an, wie Ihr Partner Sie hinters Licht geführt hat und aus welchen Gründen er oder sie die frühere Eheschließung verheimlicht hat. Ist der Partner davon ausgegangen, dass Sie die Eheschließung in Kenntnis der Wahrheit nicht vollzogen hätten, spricht einiges dafür, dass Ihr Vortrag begründet ist. Ihr Partner wird also im Anfechtungsverfahren eine Erklärung abgeben müssen, warum er oder sie die frühere Eheschließung verheimlicht hat. Allein die Erklärung, man habe diesen Umstand vergessen, dürfte dafür nicht genügen.

Besteht die frühere Ehe Ihres Partners oder Ihrer Partnerin noch immer und lebt der Partner in Bigamie, ist Ihre neue Ehe zweifelsfrei aufhebbar (§§ 1314,1306 BGB). Dann spricht allein der Anschein dafür, dass Sie die Eheschließung in Kenntnis des Sachverhalts nicht vollzogen hätten.

Wichtig zu wissen: Können Sie im Anfechtungsverfahren das Gericht nicht davon überzeugen, dass Sie den Partner oder die Partnerin in Kenntnis der früheren Eheschließung nicht geheiratet hätten, wird Ihr Antrag zurückgewiesen. Ihnen bleibt aber immer noch, ganz normal die Scheidung Ihrer Ehe einzureichen.

Was sind die Rechtsfolgen der Anfechtung?

Haben Sie Ihre Ehe erfolgreich angefochten, wird Ihre Ehe ab dem Zeitpunkt des richterlichen Beschlusses aufgehoben. Die Auflösung der Ehe hat keine Rückwirkung auf die Vergangenheit. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Abwicklung Ihrer bis dahin bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft.

Sind aus Ihrer Beziehung gemeinsame Kinder hervorgegangen, gelten Sorge- und Umgangsrecht wie im Fall der Scheidung einer normalen Ehe. Sie müssen mit Zugewinnausgleichsansprüchen und der Durchführung des Versorgungsausgleichs rechnen. Nacheheliche Unterhaltsansprüche lassen sich allenfalls abweisen, wenn Sie dem Partner oder der Partnerin ein „offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten“ zur Last legen können (§ 1579 Nr. 7 BGB).

Ergeben sich auch kirchenrechtliche Konsequenzen?

Auch wenn Ihre Ehe zivilrechtlich aufgehoben wird, bleiben Sie im Regelfall katholisch-kirchenrechtlich immer noch verantwortlich, sofern Sie die Eheschließung auch kirchlich vollzogen haben. Möchten Sie dann erneut heiraten und sich kirchenrechtlich trauen lassen, kann es wichtig sein, dass Sie Ihre frühere und zivilrechtlich erfolgreich angefochtene Eheschließung auch kirchenrechtlich aufheben lassen. Dies ist wichtig, weil nach katholischem Kirchenverständnis eine Ehe als Institution göttlichen Rechts als unauflösbar gilt. Die Aufhebungsgründe nach katholischen Kirchenrecht decken sich weitgehend mit den Aufhebungsgründen nach dem Eherecht des Bürgerlichen Gesetzbuches. Sofern Sie diesbezüglich Absichten haben, sollten Sie sich eingehend beraten lassen. Der Weg dorthin ist steinig und schwer, aber durchaus machbar.

Was ist, wenn ein tot geglaubter Ehepartner wieder auftaucht?

War Ihr Partner oder Ihre Partnerin früher bereits verheiratet und wurde der Ehepartner für tot erklärt, wird mit der neuen Eheschließung die frühere Ehe von Gesetzes wegen aufgelöst (§ 1319 Abs. II BGB). Die Auflösung scheitert, wenn beide Ehepartner bei der Eheschließung wussten, dass der für tot erklärte Ehegatte zum Zeitpunkt der Todeserklärung noch lebte.

Alles in allem

Die Aufhebung einer Ehe wegen einer früheren Ehe setzt möglicherweise eine detaillierte, intime und emotional bewegende Beweisaufnahme vor Gericht voraus. Sie sollten genau überlegen, ob Sie diesen Weg wirklich gehen wollen. Möglicherweise ist der Weg der Scheidung einfacher.