Sandra und Rolf Neumayr, Sie sind als Paar als Paarberater tätig – warum?
In der Regel ist es so, dass ein Mann sich von einem Mann besser verstanden fühlt und eine Frau von einer Frau. Zudem geht es in der Paarberatung u.a. auch darum, Verständnis für den Partner und dessen geschlechtsspezifischen Eigenheiten zu entwickeln. Auch hier kann der Mann Frau besser verständlich machen, wie ein Mann tickt und umgekehrt.
Wirkt sich das auf ihre eigene Beziehung aus?
Sicher gehen wir verständnisvoller und empathischer miteinander um. Und auch unsere Kinder haben das Glück, eine harmonische Beziehung vorgelebt zu bekommen.
Klingt ein bisschen nach ZDF Sonntagsfilm, nach Rosamunde Pilcher „Alles ist gut“ Happy End?
Mag sein. Allerdings geht es uns nicht darum, in eitlem Sonnenschein zu leben und Konflikte zu vermeiden. Uns geht es vor allem darum, auch bei Meinungsverschiedenheiten respektvoll miteinander umzugehen und die Motivation des Partners für gewisse Handlungen zu verstehen, nicht einfach darüber zu urteilen. Und ja, letztlich schafft man es so wirklich, harmonisch, glücklich zu leben.
Sie sind seit über zehn Jahren als Paarberater tätig. Gibt es Problemstellungen, die sich über die Jahre hinweg nicht ändern?
Ja, die Paare, egal wie alt und aus welcher Sozialschicht, haben immer wieder Schwierigkeiten, die Liebessignale des anderen zu verstehen. Und schnell fühlen sie sich von Verhaltensweisen beleidigt, obwohl diese gar nicht beleidigend gemeint sind.
Gibt es dafür vielleicht ein Praxisbeispiel?
Natürlich. Ein aktuelles Beispiel eines Paares Mitte 50. Die Beziehungskrise fand immer nur sonntags statt. Auf die Frage, wie der Sonntag für ihn beginnt und was ihn wirklich nervt, sagte er wörtlich „Immer dieses Frühstücken! Und jeden Sonntag deine Rühreier“. Daraufhin sie entsetzt:„ Waaas?! Seit zehn Jahren koche ich dir die doofen Eier. Nach unserer ersten gemeinsamen Nacht damals hast du dich so darüber gefreut! Und jetzt das!“
Und was heißt das jetzt übersetzt auf die Beziehung?
Natürlich wollte er nach der ersten gemeinsamen Nacht „gute Stimmung“ machen und sie nicht verletzten. Entsprechend lobte er die Eier. Sie jedoch glaubte, ihm einen Liebesbeweis erbracht zu haben und mühte sich daraufhin jeden Sonntagmorgen in der Küche ab. Seine Anerkennung wurde über die Jahre immer weniger und das verletzte sie.
Und wer war denn nun schuld? Sie oder er?
In der Paarberatung geht es nicht darum, einen Schuldigen zu finden. Es ist wichtig, dass beide Partner verstanden haben, dass jeder der Beiden seinen Teil der Verantwortung für den Dauerkonflikt trägt.
Was ist Ihr Rat für die Zukunft des Paares?
Da beide Partner über all die Jahre bemüht waren, einander Liebe zu zeigen und den anderen vordergründig nicht zu verletzen, sollten die beiden erst mal erarbeiten: wann sich jeder einzelne geliebt und respektiert fühlt. Dann kann jeder von beiden die Signale senden, die der andere auch versteht.
Dann wühlen Sie gar nicht in der Vergangenheit beider Partner? Zerpflücken nicht Kindheit und Jungend?
In der Regel nicht. Wir arbeiten meist lösungsorientiert, nicht problemorientiert. Das heißt, wir betrachten anfänglich, was besser laufen müsste damit es jedem der Partner besser geht und verzichten auf ewige Schuldzuweisungen, Streitgespräche und langdauernde Analysen des Problems.
Manja Bochmann