Geheimnisse in der Partnerschaft

 
 

Unsere Redaktion sprach mit der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf über Geheimnisse in der Partnerschaft.

Ehe.de: Frau Dr. Wolf, sollen wir uns in einer Partnerschaft wirklich alles sagen?

Dr. Doris Wolf: Nein, auf keinen Fall. Zum einen ist es gar nicht möglich, den Partner über jeden  einzelnen Gedanken und jede Gefühlsänderung auf dem Laufenden zu halten. Zum anderen können kleine Geheimnisse auch die Partnerschaft erhalten.

Ehe.de: Wie meinen Sie das?

Dr. Doris Wolf: Geheimnisse generell können den Partner interessant machen, denn neben dem Bedürfnis nach Sicherheit haben wir auch ein Bedürfnis nach Abwechslung und Neuem. Indem wir nicht alles erzählen, schaffen wir für jeden Partner auch einen Freiraum. Jeder Partner kann seine Individualität bewahren.

Ehe.de: Aber es gibt doch auch Verheimlichungen, die die Partnerschaft gefährden?

Dr. Doris Wolf: Natürlich. Über alles, was auch den Partner mit betrifft (Schulden, lang andauernde Wut auf den Partner, Sucht und andere Erkrankungen, drohende Entlassung und Arbeitslosigkeit, Missbrauchserlebnisse oder andere traumatische Erlebnisse in der Kindheit) sollten wir sprechen.

Ehe.de: Was verschweigen Ihrer Erfahrung nach die Partner einander am häufigsten?

Dr. Doris Wolf: Da gibt es große und kleine Erlebnisse und Aktivitäten, aber auch Gedanken und Gefühle: Sexuelle Erfahrungen wie ein Seitensprung, Gefühle beim Sex, Selbstbefriedigung, lesbische oder homosexuelle Phantasien oder Erfahrungen. Viele Menschen verschweigen auch Ereignisse, die sie als persönliche Schwäche ansehen wie gesundheitliche Probleme, kleinere "Schönheitskorrekturen", beruflichen Misserfolg, kleinere körperliche Mängel

Ehe.de: Gibt es Dinge, die wir nicht ansprechen brauchen oder sollen?

Dr. Doris Wolf: Letztendlich gibt es da keine klare Regel. Jeder muss selbst entscheiden, was er vor sich verantworten kann. Vielfach kommt es beim Thematisieren nicht so sehr auf das DASS an als auf das WIE. Ich möchte als Grundregel vorschlagen:

Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, wenn es für den Partner/die Partnerschaft unbedeutend ist. Wir sollten zum einen überlegen, wie wichtig ist dies für mich, es anzusprechen? Zum anderen helfen uns die Fragen weiter: Wie stark kann es den anderen verletzen, verärgern und aus dem Gleichgewicht bringen? Ist dies es mir wert? Wenn es um ernsthafte Probleme geht, beispielsweise mit den Kindern, mit der Gesundheit, den Finanzen, dem Job, mit der Sexualität, wenn wir uns ernsthaft verliebt haben, wenn unser Partner sich immer mehr zu seinem Nachteil verändert, dann sollten wir dies zum Thema machen.