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Erhöht ein großer Altersunterschied das Scheidungsrisiko?

 
 

Ob Ehepartner, die unterschiedlich alt sind, ein erhöhtes Scheidungsrisiko haben, lässt sich statistisch nicht zuverlässig erfassen. Zumindest scheint es so, dass Beziehungen mit großem Altersunterschied Risiken tragen, die Paare gleichen Alters nicht unbedingt kennen. Letztlich geht es darum, dass Beziehungen umso belastbarer sind, je mehr die Interessen harmonisieren und die Partner in der Lage sind, den anderen so zu akzeptieren, wie er oder sie eben ist. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail.

Älter und jünger oder alt und jung?

Sprechen wir den Altersunterschied an, kommen zwei Varianten in Betracht. Üblicherweise stehen Paare im Vordergrund, bei denen ein Partner im fortgeschrittenen Alter ist, während der oder die andere wesentlich weniger Lebensjahre zählt. Ein großer Altersunterschied kann sich auch daraus ergeben, dass beide Partner in jungen Lebensjahren sind, wenn ein Partner beispielsweise 25 und der andere 35 ist, einer also älter und der andere wesentlich jünger ist.

Der Altersunterschied dürfte sich dann auswirken, je älter oder jünger ein Partner ist. Jüngere Partner haben die Chance, gleichlaufende Interessen wahrzunehmen, während ältere Partner eher eigenständige Interessen haben dürften als wesentlich jüngere Partner.

Kinder, ja oder nein?

Ein großer Altersunterschied dürfte oft dazu führen, dass der Kinderwunsch unterschiedlich ausgeprägt ist. Das Problem wird sich vornehmlich in Ehen stellen, in denen die Frau jünger und der Mann älter ist. Je älter ein Partner ist, desto geringer dürfte sein Interesse sein, im fortgeschrittenen Alter noch Kinder in die Welt setzen zu wollen. Eine jüngere Frau, die sich Kinder wünscht, könnte der Einschätzung zuneigen, im Leben etwas zu verpassen. Es liegt auf der Hand, dass sich daraus Lebenskrisen und handfeste Konflikte entwickeln können. Die Lebenskrise könnte spätestens dann augenscheinlich werden, wenn die Frau einen jüngeren Partner kennenlernt und die Option hat, ihren Kinderwunsch zu erfüllen.

Das Lebensziel gibt die Richtung vor

Ist Ihr Partner oder Ihre Partnerin erheblich älter als Sie selbst, wird er oder sie andere Interessen haben. Lebenserfahrungen, die Sie noch vor sich haben, hat der Partner vielleicht schon hinter sich. Dies bedingt, dass der lebenserfahrene Partner seinen Alltag anders gestaltet und mit den täglichen Anforderungen und Herausforderungen anders umgeht und dabei auf seine Erfahrungen und sein Erfahrungswissen zurückgreift, das dem anderen noch fehlt. Daraus könnten sich Konflikte ergeben. Der jüngere Partner könnte das Gefühl haben, ständig belehrt zu werden, der ältere Partner könnte sich nicht ernstgenommen fühlen.

Beispiel

Ihr älterer Partner muss es sich gefallen lassen, dass am Arbeitsplatz ein jüngerer Mitarbeiter das Ruder übernimmt und er nur noch zuarbeitet. Mit der Gelassenheit des Alters akzeptiert Ihr Partner die vermeintliche Demütigung. Er passt sich den Gegebenheiten an und gestaltet auch sein privates Leben geruhsamer. Jetzt steht mehr die Freizeit im Vordergrund. Der Drang, sich beruflich zu engagieren, geht auf ein Minimum zurück. Würde Ihnen das gleiche widerfahren, würden Sie sich in Ihrem Karriereplan zurückversetzt fühlen und sich dagegen zur Wehr setzen. Während Ihr Partner sein Leben dem beruflichen Alltag anpasst, rennen Sie dagegen an. Ihre Harmonie leidet. Vielleicht akzeptieren Sie nicht, dass der Partner vermeintlich "resigniert" und drängen darauf, die Richtung zu ändern. Ihr Drängen und der Widerwille des Partners beeinträchtigen Ihre bislang harmonisch verlaufende Beziehung. Sie haben unterschiedliche Lebensziele.

Je älter ein Partner wird, desto mehr wird der andere sein Pfleger

Die Wahrheit ist bitter: Sind Sie jung verheiratet, fällt der Altersunterschied nicht unbedingt ins Gewicht, soweit Sie zumindest gemeinsame Interessen haben. Kommt der ältere Partner dann aber über das Rentenalter hinaus ins gefühlte Greisenalter, dürfte sich der Altersunterschied doppelt auswirken. Der jüngere Partner oder die jüngere Partnerin könnte dem Gefühl erliegen, zum Pfleger des älteren Partners zu werden und den Partner nicht mehr als Partner zu verstehen, sondern eben als Pflegefall. Wenn Sie sich dann trotzdem Ihrer ehelichen Solidarität verantwortlich fühlen, ist das lobenswert. Wenn Sie aber Ihre Lebensinteressen in den Vordergrund stellen, dürfte die Beziehung zunehmend schwieriger werden.

Die Wünsche, das Leben zu gestalten, sind unterschiedlich

Paare machen vieles gemeinsam. Oder sollten es zumindest tun. Gemeinsame Interessen und der Wunsch und die Möglichkeit, gemeinsam das Leben und den Alltag zu gestalten, sind eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche Beziehung. Dafür ist aber oft Voraussetzung, dass die psychischen und physischen Gegebenheiten ähnlich sind. Sind die Unterschiede altersbedingt zu groß, wird ein Partner zurückstecken und der andere darauf eingehen müssen.

Beispiel

Sie sind leidenschaftlicher Läufer. Ihr Partner hat aufgrund seines Altes Kreislaufbeschwerden. Er oder sie kann Sie beim Laufen nicht oder nicht mehr begleiten. Sie laufen allein. Ihr Partner fühlt sich "verlassen". Auch Sie haben vielleicht das Gefühl, zu vereinsamen. Auf Dauer könnte sich daraus der Vorwurf entwickeln, Sie nehmen nicht die gebotene Rücksicht.

Lebensfreude contra Geruhsamkeit

Sind Sie jung, dürfte Ihre Lebensfreude Ihren Alltag prägen. Das ist gut so und soll auch so sein. Bei Ihrem älteren Partner, der vieles von dem, was Sie ausleben wollen, schon kennt, herrscht vielleicht eher das Bedürfnis nach Geruhsamkeit vor. Während Sie jede Gelegenheit nutzen, Freude am Leben zu haben, hat Ihr Partner oder Ihre Partnerin den Wunsch, den Tag ruhig zu verleben. Ihre Beziehung gerät unter Druck. Sie wird auf Dauer nur funktionieren, wenn beide Partner bereit sind, die Interessen und die Bedürfnisse des anderen zu akzeptieren und nicht den Wunsch haben, den Partner zur Teilnahme zu zwingen.

Beispiel

Sie nutzen jeden gesellschaftlichen Anlass, den Abend außer Haus zu verbringen. Ihr älterer Partner oder Ihre ältere Partnerin hingegen hat das Bedürfnis, zu Hause zu bleiben, den Fernseher einzuschalten und bei einem Glas Wein einzuschlafen. Das Risiko, dass sich daraus gegenseitige Vorhaltungen entwickeln, ist groß.

Und was behaupten die Statistiker?

Geht es um den Altersunterschied zwischen Partnern, taucht gleich ein Klischee auf. Ältere Partner suchen sich gern jüngere Partner, um das eigene Ego zu bedienen, während der oder die jüngere Partnerin die Beziehung danach beurteilt, welche materiellen Vorteile er oder sie davon hat. Nach einer Auswertung statistischer Daten von 3000 Paaren der Wirtschaftsfakultät der Emory University in Atlanta scheint jedenfalls klar zu sein: Ein hoher Altersunterschied erhöht die Wahrscheinlichkeit von Trennung und Scheidung erheblich.

Wenn Sie fünf Jahre unterschiedlich alt sind, soll sich Ihr Scheidungsrisiko um 18 % erhöhen. Bei einer Altersdifferenz von einem Jahr betrage die Wahrscheinlichkeit gerade mal ein Prozent. Bei zehn Jahren Altersunterschied liege das Risiko dann bereits bei 39 % und bei 20 Jahren sei zu 95 % mit einer Scheidung zu rechnen.

Aber: Kinder scheinen das Scheidungsrisiko zu senken, zumal Paare dann eine Gemeinsamkeit haben, die ungemein verbindet. Zudem profitieren Paare davon, dass auch das Kind ein Bindeglied schafft, das den Altersunterschied in den Hintergrund treten lässt. Und je länger Paare zusammen sind, desto weniger wahrscheinlich wird die Trennung. Heißt: Wenn Sie zwei Jahre verheiratet sind, sinkt Ihr Risiko um 43 %. Sind Sie zehn Jahre verheiratet, sinke das Scheidungsrisiko sogar um 94 %.

Wie auch immer: Statistik ist das eine. Ihre Beziehung ist das andere. Es gibt nichts, was in dieser Welt absolut verlässlich ist. Letztlich haben Sie es in der Hand, wie Sie Ihre Beziehung gestalten und mit welchen Erwartungen Sie Ihre Beziehung leben.

Alles in allem

Ein großer Altersunterschied in der Partnerschaft ist ein Risiko. Darin gibt es nichts zu bestreiten. Je näher Ihre Interessen beieinanderliegen und je mehr Sie beide bereit sind, aufeinander Rücksicht zu nehmen, desto größer sind die Chancen, dass Ihre Partnerschaft Bestand hat. Je weniger Sie die Stimmungslage Ihres Partners berücksichtigen und Ihren Lebensalltag danach ausrichten, desto größer ist das Risiko, dass Ihre Beziehung irgendwann trotz besten Willens scheitert.